Peter Reinhard

Bericht über die EVP in der NZZ (Kopie)

Der Kiesel in der Brandung

Die EVP des Kantons Zürich feiert in diesem Monat ihr 100-jähriges Bestehen

Stefan Hotz - Klein, aber zäh. Das ist der erste Eindruck von der Evangelischen Volkspartei, die demnächst ihr 100-jähriges Bestehen feiert (siehe Zusatztext). Bereits mit der ersten Teilnahme an der Nationalratswahl 1919 eroberte sie ein Mandat. Seither war die Zürcher EVP nur einmal, von 1939 bis 1943, im Bundeshaus nicht vertreten; sonst hielt sie in der grossen Kammer immer mindestens einen Sitz, von 1959 bis 1995 deren zwei.

Die EVP sah Parteien kommen und gehen: Frontisten, Republikaner, Autopartei und Schweizer Demokraten auf der einen, Kommunisten und Progressive auf der anderen Seite, ebenso den Landesring in der Mitte. Neben politischen Umbrüchen kann auch die Säkularisierung der Gesellschaft samt den Kirchenaustritten der EVP wenig anhaben. Ihr Anteil bei den Kantonsratswahlen bewegt sich seit der Nachkriegszeit in Promille-Schritten zwischen dem Maximum von 7,5 Prozent (1983: 14 Sitze) und dem Minimum von 3,8 Prozent (2011: 7 Sitze).

Ein weiterer statistischer Befund zeigt, wie sehr die Partei 2014 das knappe Scheitern an der 5-Prozent-Hürde in der Stadt Zürich schmerzen musste: Die EVP ist in allen anderen 12 Stadtparlamenten des Kantons seit deren Bildung ununterbrochen vertreten, erneut mit nur einer Ausnahme, Uster von 1942 bis 1950. In zwei Städten, Wetzikon und Bülach, stellt sie derzeit den Stadtpräsidenten.

Politik ohne Bibelverse

Die Kleinpartei glaubt an ihre Zukunft. Sie tut dies, das der zweite Eindruck, selbstbewusst und ohne jede Verbissenheit. Im Gespräch mit ihren Exponenten fällt bald der Begriff Verantwortungsethik: Die EVP schielt nicht mit ideologischen Parolen auf den Wahlerfolg, sie will mit anderen zusammen etwas erreichen. Insofern sei die EVP die Schweizer Partei, sagt ihr Sekretär Peter Reinhard, und sie sei nie eine Einthemenpartei gewesen. Der abtretende EVP-Präsident Johannes Zollinger ergänzt, der Wille, an Lösungen mitzuarbeiten, setze Charakter, Persönlichkeit und Stil voraus. Sein designierter Nachfolger Hanspeter Hugentobler betont, es brauche ein verbindendes Element in der politischen Mitte.

Die EVP grenzt sich aber gegen die anderen konfessionellen Parteien ab. Das E im Namen will sie auf keinen Fall ablegen. «Wenn die CVP das C abschafft, kann sie sich auflösen», sagt Reinhard mit Blick auf die ungleiche Schwesterpartei. Für Hugentobler bedeutet der EVP-Slogan «Christliche Werte – menschliche Politik», mit allen Menschen so umzugehen, wie man selber behandelt werden möchte.

Man könne nicht mit Bibelversen Politik machen, ergänzt Zollinger. Eine Spitze gegen die EDU, die sich einst von der EVP abspaltete und meist einen rechtsbürgerlichen Kurs verfolgt. «Wir müssen in der Politik Lösungen für alle finden», sagt der EVP-Präsident, der einer Freikirche angehört. Das rufe er manchmal seinen eigenen Leuten in Erinnerung, wenn er sich als Wädenswiler Schulpräsident für die familienexterne Kinderbetreuung einsetze. «Wir sagen nicht, dass die EDU das Falsche glaubt. Aber wir haben ein anderes Politikverständnis», sagt Zollinger.

Die EVP kombiniert soziale und grüne Anliegen mit einer konservativen Gesellschaftspolitik. Das Prädikat konservativ störe ihn nicht, wirft Zollinger ein; das Gegenteil davon sei nämlich destruktiv. Nach herben Verlusten 2011 konnte sich die EVP in den letzten kantonalen Wahlen mit einem Sitzgewinn behaupten. In der Mitte der Mitte gibt sie wegen der knappen Verhältnisse im Kantonsrat manchmal den Ausschlag für die Mehrheit. Die EVP ist kein Fels in der politischen Landschaft, aber der Stein im Schuh der grossen Parteien.

Intern gibt es wenig Differenzen, am ehesten in Bildungsfragen, wo jüngst zur Abstimmung im Mai über die Fremdsprachen-Initiative die Delegierten das Nein der Fraktion überstimmten. Da bestehe ein Spannungsfeld zwischen den Praktikern im Schulzimmer und den Schulpflegern, beschwichtigt Reinhard. Unbestritten sei, dass man in die Bildung investiere und Hauruck-Übungen vermeide, ergänzt Hugentobler, selber Schulpräsident in Pfäffikon. Inhaltlich sei die EVP gut aufgestellt, sagt ihr künftiger Präsident. Vorgenommen hat er sich, die junge Generation zu motivieren, sich politisch zu engagieren. «Es erschüttert mich, wenn jeweils gesagt wird, Politik sei ein Dreckgeschäft. Es geht doch darum, unser Zusammenleben zu gestalten», sagt Hugentobler.

Seit 42 Jahren Parteisekretär

Der Wechsel an der EVP-Spitze markiert einen Generationenwechsel, der auch die Hälfte der 8-köpfigen Kantonsratsfraktion betrifft. Hanspeter Hugentobler rückte bereits 2015 für den in den Bankrat gewählten Walter Schoch (Bauma) nach. Ende Jahr trat Johannes Zollinger (Wädenswil) aus dem Rat zurück, kürzlich tat es ihm Gerhard Fischer (Bäretswil) gleich, und im April macht auch Peter Reinhard (Kloten) Platz. Bereits entschieden ist, dass zur Mitte der Legislatur Nationalrätin Maja Ingold den Sitz in Bern für den Winterthurer Nik Gugger räumt. Dieser wird im Kantonsrat durch eine Frau ersetzt.

Reinhard bleibt der EVP aber erhalten. Er war 1974 in Opfikon mit 20 Jahren der jüngste Parlamentarier der Schweiz. Seit 42 Jahren ist er Parteisekretär und damit der amtsälteste Berufspolitiker im Kanton Zürich. Dank ihm war die EVP bezüglich EDV früh à jour und hat ihr Büro seit über 30 Jahren im Stadtkreis 5 in einer EVP-eigenen Baugenossenschaft. Ende 2018 wird Reinhard pensioniert, aber die Partei dürfte im Wahljahr 2019 noch von seiner beträchtlichen Erfahrung profitieren.

NZZ 15.03.2017

 

Für Auskünfte
Hanspeter Hugentobler, EVP-Kantonsrat, Pfäffikon, 044 951 17 91, E-Mail schreiben
Peter Reinhard, EVP-Kantonsrat, Kloten, Mobile 079 402 38 82, E-Mail schreiben

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